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Eine Jagd in Britisch-Kolumbien

Ich schaue aus dem Fenster des kleinen Motels in Smithers BC. Es ist 6:00 Uhr morgens und es sieht entgegen meiner Erwartungen vom Vorabend kalt und regnerisch aus. Ob der Buschflieger heute fliegen wird, nachdem er uns gestern schon nicht einfliegen konnte?

Der Indianer Motavato, der den Tag zuvor mit mir in Smithers verbrachte und sich das Appartment mit mir teilte, war sich sicher dass wir heute fliegen werden. Er wird jedoch in einem anderen Camp als Hunting Guide auf „Sumpfesel“, so bezeichnet er die Elche, eingesetzt. Auf 8:00 fahren wir ohne Frühstück zum Tyee Lake, ein kleiner See, an dessen Ufer der Sitz der Alpine Lakes Air ist.

Wir sind die ersten dort an diesem Morgen doch schon bald fährt der Pilot auf das Grundstück. Es dauert nicht lange und das Flugzeug kann getankt und gepackt werden. Nachdem ich für den kommenden 10-Tages-Trip zum Island Lake unbrauchbare Ausrüstung in einem Schuppen einlagerte ging es auch schon ins kleine Flugzeug. Anzumerken ist, dass meine Beinfreiheit hier wesentlich größer war als bei der Lufthansa. Gerade einmal 25 Minuten dauerte der Flug an, bis wir auf dem kleinen Island Lake landeten. Das Wetter war hier anders. Es war traumhaft schön bei Sonne und gleichzeitig Schneeregen im Buschflugzeug nach der Landung auf dem Wasser Richtung Blockhütte zu treiben. Dort angekommen folgte eine kurze Bestandsaufnahme aller Lebensmittel und nützlichen Gegenstände. Für 10 Tage waren wir, ein Guide (Jack), ein Jagdgast (Jan) und ich ausgesetzt in der Wildnis. Die Jagd in dieser Zeit galt einem starken Elchbullen.

Der erste Tag war wolkenlos. Perfekt für den Guide Jack und Jan, die Gegend zu erkunden, denn auch für Jack war dieses Camp neu. Vom Kanu aus wurde das Ufer ringsum inspiziert, doch das Wild blieb zunächst aus. Auch am darauf folgenden Tag fuhren der Jack und Jan raus um nach Elchen zu schauen, um diese durch den Brunftruf anzulocken.

Ich blieb in der Hütte um einige unterstützende Dinge zu erledigen. Nachdem ich die Hütte durchfegte und etwas Brennholz für die nächsten drei Tage schlug, setzte ich mich mit einer Tasse Kaffee an den Tisch in der gemütlichen und gutausgestatteten Blockhütte um eine Weile aus dem Fenster auf den See zu schauen. Es war sehr ruhig. Hin und wieder sprangen Regenbogenforellen, ein Weißkopfseeadler versuchte einem Lune einen Fisch zu stehlen aber auch ich konnte mit meinem Fernglas keinen Elch beobachten.

Die aufgrund des geringen Anblicks nachlassende Stimmung wurde am dritten Tag durch den Auftritt eines Schwarzbären leicht angehoben. Friedlich saß dieser an einem Hang am Rande des Sees, um Hagebutten zu fressen. Ob er uns in den nächsten Tagen im Camp besuchen wird? Die draußen kühl gelagerten Lebensmittel könnten sein Interesse wecken, doch unsere Witterung und das Brummen des Generators werden ihn fern halten.

Nach drei Tagen Kanu fahren ohne Anblick von Elchen wurde es Zeit, für eine Strategieänderung. Die Wälder um den See herum waren nur schwer zugänglich, da viele querliegende Bäume aufgrund von Stürmen und durch Biberschäden den Weg versperrten. Ich schlug also zwei Pirschwege mit der Kettensäge um Jack und Jan eine Alternative zur Jagd vom Kanu aus zu geben. Doch auch auf den neuen Pirschwegen konnten sie keine Elche ausmachen.

Am vierten Tag fahren die beiden erneut auf die andere Seite des Sees, um einen der neuen Pirschwege abzulaufen. Die Zeit will ich nutzen um Fischen zu gehen. Auch ich fahre also mit einem Kanu raus - nicht weit, bloß 60 Meter von der Hütte entfernt, um den Wasserpflanzen im Uferbereich zu entgehen. Nach kurzer Zeit, ich hatte noch keinen Fisch gefangen, sehe ich Guide und Jagdgast am anderen Ende vom See zurück ins Kanu steigen. Merkwürdig, denke ich. Plötzlich höre ich ein Geräusch. Das muss ein Elch sein, geht es mir durch den Kopf. Ich schaue in ein Sumpfbereich am Rande des Sees und erblicke tatsächlich die Schaufeln eines Elches, der strotzend vor Hormonen durch den Sumpf gerade auf das Kanu der anderen beiden zu läuft. Um alles weitere gut beobachten zu können, rudere ich an Land und setzte mich mit dem Fernglas vor die Hütte. Guide und Jagdgast fahren spitz auf den Elch zu, welcher ihnen weiter entgegen kommt.

Dann erreichen sie das Ufer und ich fange an vor Aufregung zu zittern, sodass ich den Bullen für kurze Zeit aus dem Sichtfeld des Fernglases verlor. Doch dann tritt er viel näher als erwartet hinter einer Weide aus. Zwischen Schütze und Elch ist nun nicht mehr Deckung als ein daumendicker vertrockneter Zweig der aus dem Boden ragt. Der erste Schuss kündigt sich für mich aus der Ferne durch die Rauchwolke aus dem Lauf an. Zeitverzögert höre ich dann den Knall. Ich sehe den Elch weiter aufrecht stehen und die Richtung ändern. Weitere Schüsse erschallen durch das Tal. Der Elch bricht nach kurzer Flucht mitten im Sumpf zusammen. Da die Dämmerung nun weit fortgeschritten ist, beschließt der Guide Jack die Bergung am darauf folgenden Tag durchzuführen.

Der Abend in der Hütte war geprägt von verschiedensten Plänen den Elch zu Bergen. Eine Überlegung war ein Gestell zu bauen, mit dem wir den Elch aus dem Sumpf ziehen konnten. Eine alternative Strategie war, ihn durch einen dafür anzulegenden Kanal mit dem Kanu heraus zu treiben. Ständig kamen wir zu dem Schluss, dass wir nichts festlegen konnten sondern im Tageslicht einiges ausprobieren müssten.

Der nächste Tag brachte trockenes Wetter mit Temperaturen über Null mit sich. Das war gut für die anstehende Aktion. Die Kanus beluden wir mit allerlei nützlichen Gegenständen wie Sperrholzplatten, Pfosten, Seilen, Äxten und Messern.

Am Sumpf angekommen mussten wir alle drei mit Humor feststellen, dass jegliche Versuche trocken zu bleiben misslungen. Ich trug Gummistiefel, darüber eine Regenhose, die ich mit reichlich Panzerband an den Stiefeln fixierte. Darüber zog ich wasserdichte Gamaschen um diesem „System“ weiteren Halt zu geben. Nach drei Metern Laufen im Sumpf war der rechte Fuß schon nass. Der linke Fuß erst auf halber Strecke zum Elch.

An die nassen kalten Füße galt es sich zu gewöhnen. Die Frage wie es möglich ist den Elch aus dem Sumpf zu bekommen war noch unklar. Jegliche Versuche mit einer Winde und einem Gestell scheiterten. Es blieb uns nichts anderes übrig als den Elch im Sumpf zu zerlegen. Der Elch schwamm leicht auf, sodass einige Schnitte gut möglich waren, doch die meiste Arbeit wurde unter der sumpfig braunen und dann rotblutigen Wasseroberfläche erledigt. Es wurde geschnitten, geschlagen und gezogen.

Die Einzelteile des Elches schliffen wir durch den Sumpf raus zum See, wo wir sie ins Kanu luden, um sie zur Hütte zu bringen. Tiefe sich mit kleinen Grasinseln tarnende Löcher im Sumpf erschwerten die Bergung. Immer wieder rutschten wir bis zur Hüfte in den Morast. Der komplette Sumpfbereich glich einer schwimmenden Grasinsel auf dem See.

An der Hütte angekommen erledigten wir einige weitere Tätigkeiten. Ein Vordach an der Hüttenseite nutzten wir, um das Fleisch aufzuhängen. Der größte Teil der Arbeit war nun jedoch geschafft und wir trockneten uns und die im Sumpf getränkte Kleidung am Holzofen in der Hütte.

Seit diesen Erlebnissen insbesondere der Bergung des Elches aus dem Sumpf, frage ich mich, ob der Indianer Motavato mit „Sumpfeseln“ wirklich die Elche meinte.